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Home Fanzine Konzertberichte Satoko Fujii Quartet, Bunker Ulmenwall, Bielefeld, 17. November 2006

Satoko Fujii Quartet, Bunker Ulmenwall, Bielefeld, 17. November 2006

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Zuckerbrot und Motorsäge

Was für ein Konzert! Nachdem ich bereits vor drei Jahren die Pianistin Satoko Fujii gemeinsam mit ihrem trompetenden Gatten Natsuki Tamura in Bielefelds berühmtesten Jazz-Keller erleben durfte, hoffte ich auf ein Wiedersehen und -hören mit den beiden. Abgesehen vom gemütlich virtuosen Konzert, war auch die Unterhaltung mit Satoko hinterher sehr nett.

Als ich dann also das Bunker-Programm in den Händen hielt und vom Satoko Fujii Quartet las, bekam ich große Augen und entschied mich, die Vorfreude losrollen zu lassen. Dass obendrein am Schlagzeug Tatsuya Yoshida, Mitbegründer der japanischen Prog-Jazz-Core-Combo The Ruins dabei sein sollte, machte das ganze noch interessanter. The Ruins sind schließlich auch ein unüberhörbar wichtiger Einfluss für Mike Pattons Fantômas. Als vierter Musiker war dann noch Bassist Takeharu Hayakawa mit dabei, den sich, wie auch Mike Patton, John Zorn schon so manche Male an die Seite holte.

So gemächlich wie der Duo-Auftritt von 2003 wurde es dieses Mal dann nicht mehr. Gefällige Melodien auf Klavier und Trompete waren auch diesmal präsent und auch die im klassischen Sinne zweckentfremdete Nutzung der Instrumente – Trommelstöcke auf den Flügelsaiten – wurde immer mal wieder eingestreut. Aber immer, wenn man sich von der Musik dazu verleiten ließ, sich in eine entspannt schwärmerische Stimmung fallen zu lassen, holte die Band auch schon wieder aus zur nächsten groovigen Lärm-Attacke mit vertrackten Hardcore-ProgJazz-Schlagzeug und aggressiv funky Bass-Spiel. Das ganze war also extrem kontrastreich und spannungsvoll. Einen qualitativen Vergleich zum Duo-Konzert möchte ich beim besten Willen aber nicht anstellen und mir da gar einen Liebling unter den zwei erlebten Konzerten herauszupicken. Nun wünsche ich mir, keinen der vier Musiker an dem Abend zum letzten Mal erlebt zu haben.

Neben der Band gebührt auch dem Bunker Ulmenwall als Location großes Lob. Sieht man von der einen etwas störend defekten Box ab, bei der irgendetwas mitvibrierte, was auf keinen Fall mitvibrieren sollte, war die Akustik wieder absolut fabulös. Und überhaupt habe ich in dem Laden nur große Konzerte erlebt – mein erstes dort war übrigens Notdurft.

Ein interessantes Phänomen an dem Ort ist, dass Jazz-Bands kein Problem damit zu haben scheinen, dass sie ein Publikum anzuspielen haben, dass aus zwei entgegengesetzten Richtungen zuschaut, Punk-bands hingegen eher irritiert und ratlos ob dieses Umstandes sind. Dass man durch die Bunker-Architektur auch gelegentlich die Gelegenheit hat, Schlagzeugern von hinten über die Schulter zu schauen, finde ich auch recht reizvoll. Davon hatte ich bei den britisch-niederländischen 4Walls Gebrauch gemacht, deren Schlagzeuger diverse Utensilien mit ins Spiel brachte, so dass sich ein näheres Hinschauen durchaus lohnte.

aus Überfall-Fanzine Nr. 8


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Aktualisiert ( Montag, 23. November 2009 um 18:06 )