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Home Fanzine Konzertberichte Abwärts, ZZZ Hacker, Die Chinesischen Glückskekse – 22. April 2010, JZ Kamp, Bielefeld

Abwärts, ZZZ Hacker, Die Chinesischen Glückskekse – 22. April 2010, JZ Kamp, Bielefeld

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Abwärts„Doch, bin ich!“ protestierte die junge blonde Frau hinter dem Merchandise-Stand, nachdem ich behauptete, sie seie nicht berühmt. Zuvor hatte sie einen Abwärts-Aufkleber auf ein Abwärts-Plakat geklebt und auf das Plakat neben den Aufkleber geschrieben „Aufkleber 1 Euro, Plakat 1 Euro“. Ich bewältigte eine anspruchsvolle Kopfrechenaufgabe, sagte zu Aldi „Also kostet das da 2 Euro“ und zeigte auf das beklebte und beschriftete Plakat. Aldi erwog eine Wertsteigerung: „Aber das ist jetzt mehr wert, weil da draufgeschrieben wurde“. Prompt behauptete ich, dass die Inhaberin dieser Handschrift aber doch nicht berühmt sei, was mir charmanten Protest einbrachte. Wüsste ich den Namen der Merchandiserin, würde ich ihn hier nennen, um ihre Berühmtheit zu steigern. Und natürlich auch, damit ihre Berühmtheit auf meine Popularität abfärbe.

Man sah am Publikum dieses Abwärts-Konzertes sehr deutlich, dass die Berühmtheit einer Band prima auf Nebenprojekte abfärbt. Die jungen Leute in den Ärzte-T-Shirts machten nicht den Eindruck, als wären sie vor Ort, weil sie Hits wie „Computerstaat“ und „Alkohol“ für Sternstunden der deutschen Rockmusik hielten. Vielmehr wollten sie mal bei einem Clubkonzert ganz nah an ihren Ärzte-Star Rod Gonzales.

Die Gebrüder WeberZur Einstimmung sah der straff-strenge Zeitplan einen fünfundzwanzigminütigen Auftritt von Bielefelds Fossilpunks ZZZ Hacker vor. Die haben schon die Vorbereitung ihres 30jährigen Jubiläums im Hinterkopf und so versuchten Aldi und ich schonmal ganz subtil ihre Aufmerksamkeit auf die wiedervereinten Contra D zu lenken. Schließlich haben die Hacker an uns einst den Titel der schlechtesten Band Deutschlands abgetreten. Sie selbst hingegen haben sich an diesem Abend in einer Form präsentiert, die diesem Titel wirklich nicht mehr gerecht wurde. Sie spielten ihre Songs ohne grobe Schnitzer gerade weg. Es war ja auch gerade erst 21.00 Uhr und die Jungs noch recht nüchtern. Mein Kopf hat auch ein bisschen gewackelt und mein rechtes Bein auch, doch, war gut.

Nicht gut waren allerdings die Chinesischen Glückskekse. Was ich mir vorher von denen so angehört hatte – was nicht viel war – klang recht plaisirlich. Aber diese Aufnahme lagen wohl auch schon ein paar Jahre in der Vergangenheit. In der Gegenwart hörte ich nur stumpfen Partyrockabilly, an dem mich so rein garnichts reizte. Her mit der Vorspultaste.

Beide Vorbands sind vom Mischer des Kamp mit einem ausgewogenen, stimmigen Sound versehen worden, der auch von der Lautstärke angemessen war und nicht nach Gesundheitsschutzmaßnahmen für mein bereits schadhaftes Gehör schrie. Abwärts trauten von vornherein den ortsansässigen Mischern nicht und reisten mit eigenem Soundmann – ein fataler Fehler. Ein Großteil des Abwärts-Auftritts waren zwar deutlich zwei Gitarren zu sehen, doch gehört hat man kaum eine halbe. Für Bands, deren Musik generell sehr gitarrengeprägt ist, eine denkbar schlechte Voraussetzung für den vollen Musikgenuss.

Sicher hat Dog Kessler am Schlagzeug tüchtig reingehauen, doch war der bollerige Klang der Bassdrum eine weitere Hürde auf dem Weg, die Musik aus diesem Klang herauszuhören. Irgendwann, nachdem das Konzert schon fast am Ende war, hatte der Tontechniker seinen Auftrag endlich im Griff und es klang doch noch annähernd so, wie man das gerne hat. Es war für mich absolut nicht nachzuvollziehen, wie ein Mensch, der Ohren hat – dazu auch noch darauf spezialisierte – auf das akustische Nichtvorhandenseien ganzer Instrumente im Mix, nicht ganz schnell mit der simplen Idee reagiert, gerade diese Instrumente einfach ein bisschen hochzuziehen. 

Und sonst? Ich habe in den letzten Wochen immer mal wieder Abwärts gehört. Gerade bei den neuen Sachen mit Rod Gonzales scheiden sich die Geister schon extrem. An die „Amokkoma“- und „Computerstaat“-Tage kommt das sicher nicht ran und ist hier und da auch etwas platt; aber generell gehen meine Daumen freudig nach oben. Also bin ich absolut vorurteilsbelastet zum Konzert gegangen; ich hatte mir vorgenommen, Spaß und Gefallen zu finden, und es ist mir gelungen. Im Nachhinein rationell betrachtet, war das sicher ein schwacher Tourstart mit einem Frank Z., der seine Motivationsenergie wohl erst noch finden muss. Er hätte gut und gerne auch mal ein, zwei Worte an sein Publikum richten können. Stattdessen wurden alle Intros, die vor der entsprechenden Stücken auf „Rom“ und „Sei mit dabei“ zu hören sind, auch in voller Länge auf dem Gig abgespielt. Das war in diesem Ausmaße etwas witzlos und unpersönlich. Dass das Programm sehr wenige Songs aus vergangenen Inkarnationen von Abwärts aufwies, war auch etwas enttäuschend. Aber all das konnte mir das Konzert nicht vermiesen. So manch anderem schon. Zum Schmunzeln brachten mich der Zwischenruf „Wie lang ist denn euer neues Album noch?!“ und der Spontanauftritt des ZZZ-Hacker-Balletts auf der Tanzfläche. Netter Gag auch der Quelle-Schriftzug auf den Verstärkerboxen und die Karstadt-Mitarbeiter-Oberhemden, die die Band trug.

Das nächste Mal aber bitte mehr Enthusiasmus auf der Bühne!

 

 


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Aktualisiert ( Samstag, 01. Mai 2010 um 11:09 )