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V.A. – „Soundz of the City 2010“ CD

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Diese Samplerreihe ist mittlerweile zur verlässlichen Institution geworden. 1992 hat die Musikkooperative Auftakt den ersten „Soundz of the City“-Sampler in Umlauf gebracht. 10 Jahre später griff das Newtone-Label in Zusammenarbeit mit Auftakt Konzept und Titel der Reihe wieder auf. Und seitdem geht es im Zweijahresrhythmus munter weiter. Eingeklinkt hat sich im Laufe der Zeit auch noch das Kulturamt Bielefeld.

Das Konzept Alternative Music aus Bielefeld wird locker gehandhabt. Da werden auch mal großzügig umliegende Städte eingemeindet, aber das hat ja auch schon dem ersten Teil einst einen Beitrag der Band Das Wesen aus Spenge eingebracht. Richtiges Gerumpel aus dem Underground sucht man vergeblich, vieles klingt regelrecht gefällig. Die Punkbands, die hier mitmischen, sind im Studio geschliffen worden. Nichtsdestotrotz hat dieser Sampler auch für mich ein paar echte Überraschungen parat, die bislang schändlicherweise an mir vorüber gegangen waren.

Gehe ich doch einfach mal ganz ausführlich Stück für Stück durch:

Frame of Mind – „Television“: Wer dieses Stück an den Anfang der CD gesetzt hat, hat sich ein dickes Schulterklopfen verdient. Ein noch dickeres gebührt allerdings der Band Frame of Mind, die diesen Hit bewerkstelligt hat. Ein äußerst eingängiges, wie tanzbares Stück treibendender Indie-Pop. Man könnte sagen: Franz Ferdinand trifft Monster Magnet in der Disco. 

Arcona Comes – „Nemo“: Die Nachfolgeband von End of the Line macht harmonischen Gitarren-Pop incl. integriertem Klavier – Zuckerwatte mit einer Prise Melancholie. End of the Line hatte ich damals als langweiligen Teenie-Melodic-Core wahrgenommen – und das obwohl sie auch einfach mal so eine Popperle wie „Bitter“ aus dem Ärmel schütteln konnten. Mittlerweile haben sie über die Jahre immer wieder ein Schüppchen draufgelegt. Und jetzt muss ich doch sagen: Alle Achtung!

Anorak – „Alle Zeit der Welt“:  Wer alle Zeit der Welt hat, darf auch ruhig ins Träumen geraten. Und so lassen sich Anorak in ihrem recht schönen Stück Gitarren-Indie-Pop passagenweise verträumt mit Falsettgesang nach Island treiben.

Travolter – „Conny & Ronny“: So irgendwie total spaßiger Gitarren-Hopps-Pop für den Bowle-Schwipps. Kann ich persönlich nicht viel mit anfangen.

Ron Diva – „Leih mir dein Mofa“: Inzwischen hat er schon bei „Inas Nacht“ mit Ina Müller gemeinsam singen dürfen. Und hier hört man den Singer/Songwriter nicht mehr nur allein mit seiner Gitarre, sondern mit kompletter Band in luftig-leichtem Arrangement. Ruhig, aber auch nicht ohne Dynamik.

Uwe Banton – „Mankind“: So klassischer Roots-Reggae ist ja überhaupt nicht mein Ding. Aber ich muss zugeben, das hier ist gut, und ich mag den Sound der rockigen Gitarre, auch wenn sie nur sehr sparsam eingestreut ist. 

Rob Steady – „Respect“: Und kaum lasse ich ein paar Worte des Lobes über Uwe Banton fallen, da kommt Rob Steady um die Ecke und überzeugt mich davon, dass es nach wie vor ganz viel Reggae-Musik gibt, mit der man mich nicht hinterm Ofen hervorlocken kann. Nein, schlecht ist das nicht, aber ich mag es nicht hören.

Mofi Radio – „Lovers without Love“: Offbeatmusik in Bielefeld – da gab es doch auch noch East Cairo Beat und die Saloniki Surfers. Deren Keyboarder Thomas Helmke ist hier in einem ganz anderen Kontext zu hören. Mofi Radio spielen sehr sparsamen akustischen Songwriterpop, der ohne den blassesten Hauch von Pathos auskommt. In seiner freundlichen Entspanntheit ein Highlight auf dieser CD.

Blindtext – „Aus Erzählung“: Noch ein Stück akustischer Songwriter-Pop. Blindtext tragen dabei aber deutlich dicker auf als Mofi Radio und unterstreichen das mit Streichern. Lorem ipsum dolor sit amet …

Channel Eight – „Bruder“: Nun wird es wieder deutlich rockiger. Channel Eight machen druckvoll groovenden Rock mit ganz eigener Note.

Mr. Anderson – „Happy End“: Mr. Anderson geht das mit der eigenen Note völlig ab. Seit den 90ern klingen ein Haufen Melodic-Core-Bands exakt so. Dafür ist das hier so perfekt produziert incl. quantisiertem Schlagzeug. Die Booklet-Behauptung, es handele sich hier um Post-Punk, kann natürlich nur ein Druckfehler sein.

November Palace – „Alone in the Crowd“: November Palace spielen schweinerockigen Punkrock und haben mit Promilla eine Sängerin, die mit kräftiger Stimme wohltuend hervorsticht. Dazu noch ein eingängiger Refrain – alles richtig gemacht.

High Fired Water – „This Time“: Hardcore, Stakkatoparts, cleane Gitarrenparts, Durchgebrate Gitarren, Screamo, richtiger Gesang, alles schön vertrackt, aber nichts memorabel oder wirklich spannend. 

Tarrando – „Phoenix from the Ashes“: Wunderbar bratzige Gitarre, die sich hier als Teppich durch das Stück zieht. Dazu ein Sänger, dessen Stimme uns weismachen will, es würde ihn innerlich vor Leid zerreißen. Nur gut, dass ihn Bass und Schlagzeug bis zum Ende mit muteinflößender Energie aufrechthalten. 

Eudel – „Dragons with Quick Tongues“: Wenn ich mir hier Eudel anhöre, dann frage ich mich doch wirklich, womit er den Konzertveriss verdient hat, den ich ihm vor einiger Zeit mal angedeihen ließ. Pure Langeweile sei das gewesen – Quatsch und Schnickschnack! Wohliger Alternative Country ist das hier. Und ich fühlte mich gleich inspiriert, mir für einen Cent (plus Porto und Verpackung) das zweite Album von Eudels alter Band Dead Mould zu bestellen (was natürlich ein ganz anderer Stiefel ist).

foreignplaces – „Hold Me“ Bleiben wir doch gleich weiter entspannt auf dem Sofa liegen. Wieder ein Stück Songwriter-Pop, diesmal allerdings mit einer sehr angenehmen weiblichen Stimme und voller Band – aber nach wie vor sehr zurückgelehnt.

15 min of Fame – „Every Day Life is a Prison“: Hier wird es wieder etwas rauer, ausgefeilt und doch ungeschliffen. Ein weiterer Favorit von mir auf dieser CD. Eine rein akustisch besetzte Band (Gitarre, Piano, Violine, Schlagzeug, Bass) lässt den Song dramaturgisch an- und abschwellen. Und obendrauf thront ein Sänger mit rauher Stimme zwischen dem sträflich übersehenen Oliver Dean und Billy Idol. Mit Billy Idol teilt er auch den Manierismus des eingefügten Hs („mysehelf“). Schrieb ich grad „ein weitere Favorit“? Dies ist schlichtweg der beste Beitrag auf dieser CD!!

FünfTürer – „Kein Talent“: FünfTürer kommen aus der Grooveabteilung und mixen sich ihre stilistische Ausprägung ganz munter aus allem möglichen zusammen – funky. Dazu singen sie einen Text, der den Hörer zum Schmunzeln bringen soll. 

To rocket – „Orbits of Orcus“: Gegen Ende der CD nochmal eine ganz andere Baustelle. Orbits of Orcus basteln aus Elektronik, Klavier und Gitarre ein Stück, dass auf ein klassisches Songschema verzichtet, dabei Lounge-Stimmung verströmt und obendrein dann doch noch eine Prise Homerecording-Charme auf den Sampler hievt. 

Banana Butts – „Parental Guidance“:  Die Banana Butts haben einen Clown gefrühstückt, als Beilage Primus und ein Megadeth-Riff.

(Newtone)


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Aktualisiert ( Mittwoch, 30. Juni 2010 um 11:25 )  

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