Randale – Musikmarathon Eupen, Belgien, 27. Juni 2010

Dienstag, 29. Juni 2010 um 13:17 Mars Galliculus
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Endlich ist sie richtig angekommen, die Jahreszeit, zu der ich morgens regelmäßig auf einem  klitschnassen Kopfkissen aufwachen darf. Ich habe sogar jüngst meine irrationale Aversion gegen kurze Hosen abgelegt und deshalb just gestern eine Jeans gekauft, die auf Kniehöhe einen so unansehnlichen Firlefanz präsentierte, dass ich sie mit besonders großer Freude zerschneiden konnte. Dieses übertrieben heiße Wetter ist genau das richtige, um stundenlang mit der Kinderrockband Randale im Bulli zu sitzen.

Über Facebook verkündete ein paar Tage zuvor Sänger Jochen, dass für die Fahrt ins belgische Eupen noch ein Merchandiser benötigt wurde. Die Menschen, die dafür in anderen Fällen zur Verfügung stehen, waren an die WM gefesselt oder hatten einfach andere weniger fußballaffine Gründe, nicht mitreisen wollen zu können. Ich wiederum fühlte mich völlig unterreist, nahezu heimatüberdrüssig. Also schlug ich zu und gewann einen Kurzausflug nach Belgien.

Jochen und Marc (Gitarre) holten mich also an diesem Sonntag kurz vor der Mittagszeit zu Hause ab, darauf dann noch den Rest der Band: Christian (Bass) und Garrelt (Drums), der am Abend zuvor noch mit den Big Balls in Friedrichsdorf auf dem Wiesenrock spielte. Dann noch ein bisschen Equipment aus dem Proberaum eingepackt und los ging es auf die Autobahn. Else, die freundliche, aber bestimmte Stimme des Navigationsgerätes, verriet, wo es langgehen sollte, zeigte sich aber wenig tagesaktuell, was die Tempolimits anging. Und so mahnte Else fortwährend „Achtung“, obwohl der Bulli sich absolut im genehmigten Geschwindigkeitsbereich bewegte. 

Über mehrere Kilometer hinweg quengelte ein Teil der Fahrzeuginsassen, Jochen solle doch endlich mal anhalten, damit es Eis geben könnte. Er gab irgendwann auch nach, aber um sein Gesicht zu wahren mit angemessener Verzögerung. Lecker Eis von einer von mir generell eher weniger geschätzten Fast-Food-Kette versüßte die schwitzige Weiterfahrt im mangelhaft klimatisierten Leih-Fahrzeug. Der offizielle Bandbulli ist derzeit anderweitig unterwegs und macht Werbung für Randale und Jugendreisen ohne Randale, aber mit Jugendreisen. So lange Fahrten sind tendenziell verdrießlich, trotzdem hat Christian beispielsweise nicht begonnen, Garrelt aus Langeweile an den Haaren zu ziehen. Ich hatte mir vorher zwar vorgenommen, im Fünfminutentakt „Ist es noch weit?“ zu fragen – rein aus Nostalgie –, aber da dies meine erste Fahrt in dieser Reisegruppe war, dachte ich mir dann doch, es würde einen schlechten ersten Eindruck machen.

Inspiriert vom Verkehrsfunk schlug ich unterwegs vor, die etwa zwei Meter lange Zahnbürste, die als Requisit des Biberliedes regelmäßiger Bühnengast ist, aus dem Bulli auf die Autobahn zu werfen. Das hätte eine wunderbar skurrile Radiomeldung geben können: „Bitte fahren Sie äußerst vorsichtig! Auf der A1 liegt eine riesige Zahnbürste auf der Fahrbahn.“ Aber nein, eine kindgerechte Band darf nicht einfach mutwillig den Verkehr gefährden. So musste die Bürste dann im Wagen bleiben. Außerdem hätte sie hinterher beim Konzert gefehlt. Jeder seriöse Zahnarzt würde allerdings auch dringendst empfehlen, diese Zahnbürste gegen eine neue auszutauschen.

Sobald wir nach etwa dreistündiger Fahrt in Belgien waren, signalisierten uns Autobahnlampen und Architektur, dass wir wirklich im Ausland waren. Kaum über die Grenze, sieht alles auf einmal anders aus. Anders sprechen tat man in Eupen aber nicht, akzentfreies Deutsch ist dort offenbar gang und gäbe. In einer urigen Altstadt präsentierte sich uns eine Art Stadtfest mit Eintrittsbändchen-Durchgangskontrollen. 

Nun also ein erster, obstlastiger Überfall auf das Catering. Melone, Ananas etc. – genau das richtige bei der Hitze. Darauf folgen das Abladen des Bullis, Warten und dann für die Band der Bühnenaufbau und Soundcheck, während ich mir meinen Verkaufstisch mit Ware drappierte unter einem von mir dankbar aufgenommenen Sonnenschirm. Die T-Shits, die ich am Schirm aufhängte, neckten mich fortwährend damit, dass sie ihr bedrucktes Antlitz immer wieder von der potentiellen Käuferschaft abwandten. Das einzig gute daran war, dass dies bedeutete, dass wenigstens ein bisschen Lüftchen sich bewegte.

Bei ihrem letzten Besuch in diesem Land spielten die Jungs von Randale vor einem Publikum, das aus lauter Erwachsenen und insgesamt nur fünf Kindern bestand. Eines der Kinder verstand kein Deutsch, die anderen vier waren aus Aachen hinterhergereist. Diesmal sah es in der Hinsicht deutlich besser aus – genug Kinder für ein Kinderkonzert, das als solches auch Sinn macht.

Die anwesenden Gäste, die der primären Zielgruppe entwachsen waren hinein in die sekundäre (Eltern) bis trizäre (kinderlose Erwachsene und Teenager), fanden auch sichtbar Gefallen am gebotenen Entertainment. 

Meine Funktion blieb allerdings relativ marginal; das Kaufverhalten der Eltern blieb, wie das Wort schon sagt, verhalten. Aber sowas ist generell ein unvorhersehbarer Faktor. Einen eigenen Merchandiser-Beifall bekam ich im Rahmen einer erweiterten Bandvorstellung trotzdem.

Meine Lieblingsverkaufsituation: Ein Vater kam mit seiner Tochter an den Stand und wollte ihr ein T-Shirt kaufen. Er war ratlos, was die Größe anging. Und auch ich war unerfahren, der Größe eines Kindes auf Anhieb ein T-Shirt zuzuordnen. Leider war ich nicht schnell genug, denn ruckzuck stand die Mutter mit am Stand und stellte ihrer Tochter suggstiv die Frage, ob ihr dieses T-Shirt denn wirklich gefalle. Sie formulierte die Frage immer wieder dezent um, und in jedem Fragedurchgang gefiel dem Mädchen das T-Shirt ein bisschen weniger.

Am Ende waren Vater und Tochter ein wenig geknickt darüber, dass sie das T-Shirt offenbar nicht mehr haben wollten, weil das Geld für etwas anderes gebraucht wurde. Ich verstand: für ein Fahrrad, aber mag sein, dass es auch bloß ein Apfelpfannkuchen sein sollte. Deshalb sind Randale-Konzerte generell auch nie so laut, wie andere Rockkonzerte, damit die Kinder auch nach den Konzerten noch den Unterschied zwischen Fahrrädern und Pfannkuchen hören können.

Nach dem Abbau wurde der Aufenthalt in Belgien noch mit einem lecker gefüllten Teller vom Catering abgeschlossen: Kroketten, Nudeln, Geschnetzeltes, Salat, Frikadelle und zum Nachtisch ein Küchlein und dazu Birnensaft.

Und nun wieder drei Stunden auf der Straße, aber passend zur ersten Wiederholung der „Lindenstraße“ wieder zu Hause. 

Nächste Möglichkeit, Randale in Bielefeld zu sehen, ist am 4. Juli am Elfriede-Eilers-Zentrum (AWO) an der Detmolder Straße ab 16.00 Uhr. Der Ort ist mir wohlbekannt, da ich auf dem Gelände den schulischen Teil meiner Altenpflegeausbildung absolviert hatte.

Und jetzt sagt die Sonne, ich soll rauskommen zum Spielen.

„Tatü Tata“ – das Video zur aktuellen Randale-Single

Randale


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Aktualisiert ( Montag, 20. Juni 2011 um 14:34 )