Orka feat. Oktopus – 20. Mai 2011, JZ Kamp, Bielefeld

Mittwoch, 25. Mai 2011 um 15:00 Mars Galliculus
Drucken
Benutzerbewertung: / 3
SchwachPerfekt 
View Comments

Das könnte doch wirklich nett werden – den Eindruck vermittelten mir die Internet-Videos, die ich von Orka zu sehen bekam. Also stand das Freitagabendprogramm schnell fest: Orka feat. Oktopus im JZ Kamp. Da ich vorher nicht die Muße fand, mir die Videos aufmerksam und in voller Länge anzusehen, hatte ich nur einen sehr oberflächlichen Eindruck als Vorbildung für das Konzert.

Vor der Tür flogen dann Gesprächsfetzen herum, über das Vorprogramm, das irgendwie Hip-Hop sein sollte, aber eigentlich doch nicht, sondern so irgendwie grooviger. Also ging ich mir das Vorprogramm einmal anschauen. Ein dunkelhäutiger Mann mit Spiegelglatze stand hinter einer Technikbastion, drehte an Knöpfen und drückte hin und wieder auf einer Klaviatur herum. Das machte als Show nur sehr wenig her. Doch bald hatte er mich musikalisch am Haken. Es groovte in der Tat, es hatte eine Nähe zum Hip-Hop ohne so wirklich richtig Hip-Hop zu sein, es hatte Anklänge von Dub und Industrial – am passendsten wäre wohl die Genre-Bezeichnung IDM (Intelligent Dance Music). Aber vor allem war es bis zum Schluss ein spannendes Stück Musik. Und wer war das nun? Vom Vorprogramm hatte ich nix gelesen. Zum Ende des Sets verkündete der Musiker, man könne am Merchandise-Stand auch CDs seiner anderen Projekte bekommen, falls man sich für experimentellen Hip-Hop interessierte. Dort lagen dann unter anderem CDs von Dälek. Okay, alles klar, dann hab ich den auch schonmal gesehen. Und zwar mit Dälek, die ziemlich einzigartig sind. Die hatten vor ein paar Jahren mit Fantômas und Jello Biafra/Melvins in Köln gespielt.

Als dann Orka auf die Bühne standen, stand der Elektronikfrickler von Dälek wieder mit auf der Bühne. An der Stelle war mir dann auch klar, wer Oktopus ist. Orka kommen von den Faröer, einer Gegend von der ich bislang so ungefähr fast nix wusste, außer dass diese Inseln irgendwie zu Dänemark gehören. Die Faröer gehören wie auch Grönland als „gleichberechtigte Nation“ zum Königreich Dänemark. Es soll dort wohl eine sehr rege musikalische Szene geben, ähnlich wie in Island – nur dass man Färinger Bands außerhalb ihrer Heimat kaum kennt. Also schön, dass sich Orka aufgemacht hatten, das ein wenig zu ändern mit New Yorker Unterstützung von Oktopus.

Was Orka musikalisch auf die Beine stellten, ist so ziemlich das beeindruckenste, was ich in letzter Zeit so erlebt hatte. An ihrem Instrumentarium war nichts konventionell. Die Abteilung Percussion/Schlagzeug war noch das gewöhnlichste: ein Ölfass, Stahlköper, ein großflächiges Blech und ein Drumpad. Der Bass war ein langer, gerader Holzstamm, der mit einem einzigen Wäscheseil bespannt war – bespielt mit bloßen Fingern, Drumsticks und Streichbogen. Dazu noch ein sehr uriges Streichinstrument mit mehreren groben Saiten, ein Sampler und ein Haufen Effektgeräte.

Die Musik, die sie auf diesen Utensilien fabrizierten, war ebenso archaisch wie das Instrumentarium. Ein großer Einfluss dürfte skandinavische Folklore gewesen sein und ansonsten spielte es sich irgendwo zwischen Sigur Rós und Einstürzende Neubauten (in allen Phasen) ab – zwischen atmosphärisch und groovig-lärmig. Oktopus bettete dorthinein seine dräuenden Klangtepiche. Die Songtexte waren durchgängig in faröischer Sprache – eine Sprache über die man auf Wikipedia erfährt, dass sie diejenige ist, in der jährlich die meisten Bücher pro Muttersprachler erscheinen.

Nach dem eigentlichen Set trudelte die Band nach und nach wieder auf der Bühne ein, um noch ein Stück als Zugabe zu improvisieren. Erst wurde ein Ton in den Sampler gespielt, damit dann herumgespielt, dann darüber gespielt und Schicht um Schicht ergab sich etwas derart mitreißendes, dass das Publikum, nachdem die Band von der Bühne war, für mehrere Minuten nicht auf die Idee kam, nach Zugaben zu verlangen. Erst zäh stellten sich die Zugaberufe ein, die dann aber nicht mehr erhört wurden. Und letztendlich war auch klar: Dieser Abgang war nicht mehr zu toppen.

Orka


blog comments powered by Disqus
back to top
Aktualisiert ( Mittwoch, 25. Mai 2011 um 18:31 )