D.I.Y. – wie man Kaputtes völlig außer Gefecht setzt

Freitag, 04. Juni 2010 um 13:17 Mars Galliculus
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Plattenspieler für 8 Euro in der Recyclingbörse ohne Garantie – das ist so'n bisschen wie Überraschungseier für Erwachsene.

Motor ist okay, steht auf dem Aufkleber, den zu entfernen noch eine ganz besondere Restaurierungsarbeit darstellen wird. Dass das System fehle, steht auch drauf. Aber es fehlt nur die Nadel.

Aber da mir mein Wohnzimmerplattenspieler nicht so ganz super gefällt – trotz kultiger Vollautomatik mit Repeat-Taste, Linearführung auf Schiene, Vor- und Rückspultaste (sehr langsam) – musste was neues her. Statt einem Spieler, der Besuchern ein „Huch, sowas hab ich ja noch nie gesehen! Wo ist den der Arm?“ abringt, möchte ich da doch lieber wieder was stehen haben, wo ich auch ohne ausgefuchste Tricksereien 10-Inch-Platten abspielen kann und überhaupt auch mal eine Shape-Disc. Außerdem nervt es auf Dauer, wenn ständig Platten ein paar Sekunden vor dem Ende ausgehen, weil sich das Tonabnehmersystem nicht so nach an die Mitte traut.

Und nun geht sie los, die Freude am neuerstandenem Überraschungsplattenspieler. An die Steckdose angeschlossen und Arm nach links gezogen, um zu schauen was passiert. Der Plattenteller dreht sich. Soweit so gut. Mal ein bisschen am Pitch-Regler drehen. Oh, es geht schon gut los, die Pitch-Regler haben Wackelkontakte, der Motor geht immer wieder aus beim Drehen. Aber auf 33 1/3 lässt er sich trotzdem irgendwie einstellen. Und auf ca. 46 Umdrehungen die Minute, egal wie ich drehe und tue, es bleibt zu schnell oder geht ganz aus. Aber man kann regeln zwischen viel zu schnell und ein bisschen zu schnell. Ich hab noch keine Nadel drauf, kann also noch nicht testen, wie das so mit Platte läuft. 

Dann guck ich mir doch mal den Riemen an, wie stramm der sitzt. Ich weiß nicht, was mich da reitet, aber ich löse den Riemen, er fällt vom Plattenteller. Ich überprüfe, wie man den Teller abnimmt, zerre, versuche zu schrauben, nichts tut sich. Der Riemen ist mittlerweile völlig vertüddelt in für mich unsichtbaren Gegenden. 

Also fange ich nun an, den Plattenspieler auseinanderzuschrauben. Viele der Schrauben, die ich mühevoll gelöst habe mit einem zu kleinen Schraubenzieher, halten Dinge am Holzboden des Gerätes, deren Funktion sich am ehesten mit Zierde umschreiben ließen. Vielleicht sollen sie die Bodenplatte auch vor Ausfransungen bewahren. Den Teller bekomme ich so nicht los. Und nun wieder ein Haufen Schrauben, bei denen ich mein Glück probieren will.

Ich habe vor einiger Zeit zwei neue Schraubenzieher gekauft, die mir in solchen Fällen zur HIlfe gereichen sollen. Doch die habe ich geschickt vor mir versteckt, damit ich sie nicht unbefugt benutzte. Das Dumme bloß, dass ich grundsätzlich befugt bin, meine eigenen Schraubenzieher zu benutzen. Als ich meinen ersten eigenen Haushalt führte, kaufte ich mir gleich mit als erstes ein Set Schraubenzieher. Und mein Vater belustigte sich wenige Zeit später darüber, dass ich mir da ein Sortiment Feinmechanikerschraubenzieher zugelegt hatte, die für ein Gros aller alltäglichen Reperatur- und Installationsarbeiten völlig ungeeignet waren – gut für Reparaturen an Armbanduhren, aber nicht zum Anbringen einer Küchenlampe.

Und nun drückt mir die Daumen, dass ich heute nicht noch völlig verzweifle (und wie eine ehemalige Rechtskundedozentin von mir zu sagen pflegte „wenn nicht gar verdreifle“).

Einige Zeit später taucht ein Schraubenzieher auf (keiner derer, die ich erst kürzlich gekauft hatte), die Anbringung eines von einem anderen Plattenspieler geliehenen Tonabnehmersystems inclusive Nadel bringt an den Tag, dass der Motor nicht zu schnell, sondern zu langsam läuft. Das ich das ohne Ton verkannt habe, lag daran, dass die Geschwindigkeit des Plattenspielers schon sehr an die 60-Hz-Leiste annäherte, obwohl das Lämpchen mit 50 Hz flackerte. Auch ohne großes Fachwissen über so Elektronikkram finde ich schnell zwei kleine Schräubchen im Gerät, wo ich die Geschwindigkeit für 33 1/3 und 45 Umdrehungen einstellen kann. Und nun läuft das Teil einwandfrei – mit der kleinen Einschränkung, dass ich wenn ich die Pitch-Rädchen einstelle, dem Teller hin und wieder per Hand Anschwung geben muss. Aber was will man für 8 Euro auch mehr erwarten, als letztendlich doch noch eine gute Portion Spannung, Bastelspaß und etwas zum Spielen (von Schallplatten) mit einer fast schon liebenswürdigen kleinen Macke. 

Und den Aufkleber von der Recyclingbörse habe ich auch schon ganz toll zerrissen, so dass man sieht, dass ich zumindest versucht habe, ihn zu entfernen.


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Aktualisiert ( Samstag, 12. Juni 2010 um 16:28 )