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Home Fanzine Konzertberichte Rock That - September/Oktober 2007, Bielefeld, Sieker-Felde + FabrikArt

Rock That - September/Oktober 2007, Bielefeld, Sieker-Felde + FabrikArt

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Alle Jahre wieder ergeht über Bielefelder Kneipen die Reihe Kneipenkult, in der meist ansässige Bands vorzugsweise unplugged ihr Repertoire im Rahmen der teilnehmenden Trinkhäuser präsentieren. Das ganze läuft dann jeweils über mehrere Wochen und fi ndet dabei immer eine Woche lang in einer Kneipe statt. Und jede der Bands spielt dann immer wieder am gleichen Wochentag in der gerade aktuellen Kneipe. Da das ganze Konzept jetzt nun im zehnten Jahr läuft, haben sich die Veranstalter ein Jubiläumskonzept ausgedacht und so treten in diesem Jahr nur Cover-Bands auf.

Montags macht der Starman den Bowie, Dienstags geben Yoko Mono Take That, am Mittwoch gibt es Johnny Cash-Stücke von The Tenessee Four und zu guter Letzt stehen die Donnerstage im Zeichen von Roxette. Das schwedische Pop-Duo mit den etwas versteckten Blues- und Punk-Wurzeln wird nicht ganz ernsthaft von Rock That geehrt.

Nachdem mir gestern Abend mein Bruder meine Nummernschilder vorbeigebracht hatte, auf dass ich heute mein Auto abmelden durfte, um künftig meinen Teil zur Abwendung der
Klimakatastrophe zu beizutragen, radelte ich zum Sieker-Felde. Bislang war mir der Laden
fremd, bestach jedoch gleich mit freundlicher Bedienung und leckerem frischgezapften Pils. Ich stelle ja immer wieder fest, dass mir Flaschenpils oft nicht so wirklich schmeckt.
Weizen bekommt mir absolut garnicht und Schwarzbier bekomme ich nie, wenn ich‘s gerne hätte. Von leckerem Reis- oder Ingwer-Bier mal ganz zu schweigen.

Die nach einem alten Dr. Feelgood-Stück benannten Roxette, waren einst die erste Band, von der ich mir ein komplettes Album gekauft hatte. Damals noch auf Kassette, denn die LP war bereits auf dem absteigenden Ast und die CD einfach viel teurer. Außerdem besaß ich noch kein Abspielgerät für kleine digitale Scheiben. Und wo ich schon bei digitalen Scheiben bin: Im Sieker-Felde steht tatsächlich ein Gerät, das sowohl DVDs als auch LaserDiscs abspielen kann. Das LD-Format bedarf an dieser Stelle schon einen kleinen elektro-historischen Einschub. Ungefähr in der Mitte der 1990er Jahre versuchte man die VHS-Video-Kassette durch ein digitales an die CD angelehntes Format abzulösen. Diese Medien funktionierten auf ähnliche Weise wie CDs und enthielten Video-Material – also so wie die heutige DVD. Lediglich mit der Datenkompression und der besseren Platznutzung auf der Scheibe war man noch nicht so weit und so hatten die LDs die Größe von LPs. Diese Monstren konnten sich dann aber gegenüber den VHS-Kassetten schlicht noch nicht durchsetzen und verschwanden dann auch bald wieder von der Bildfl äche. Erinnert sich auch noch jemand an die DCC – Digital Compact Cassette? Die war als Konkurrenz zur DAT mit an den Start gegangen und kläglich am Markt gescheitert.

Durch die Nummernschild-Übergabe war ich etwas verspätet am Ort und Rock That hatte
Rock That wider meiner Erwartung richtig pünktlich begonnen. Vier Leute saßen auf der Bühne, auf unplugged verzichtete man und das Schlagzeug war künstlich erzeugt. Mit dabei Jan-Marie-Friedrich Starck alias Mighty Janni, der innerlich noch stark angeschlagen war, weil ich in der letzten Ausgabe seine ihm inzwischen peinlichen Jugendsünden so ausgebreitet hatte. Auf der Bühne ließ er sich von dieser Kränkung nix anmerken. Auch dabei sein stetiger Bühnencompagnion Simee, der gesanglich die Per-Parts übernahm.

Das Quartett spickte das Programm mit punkigen Grobfehlern und grämte sich am Ende ein wenig, dass gerade die Stücke, die am schlechtesten gespielt wurden, den größten
Applaus bekamen. Nachdem mein erstes Bier leergetrunken war, stellte ich mit Schrecken fest, mit welcher Textsicherheit ich gerade die Stücke von der zweiten („Look Sharp!“) und der dritten („Joyride“) Roxette-Platte mitsingen konnte. Als diese aktuell waren, besaß ich sogar ein Scrap-Book zur Band. In einem blauen Schnellhefter hatte ich auf Karopapier sämtliche Bravo-Artikel über Per und Marie aufgeklebt.

Weil die Bravo behauptet hatte, das erste Roxette-Album sei nie in Deutschland veröffentlicht worden, veranstaltete ich einen Riesenterror gegenüber meiner Mutter, als ich es dann etwa 1990 doch im Marktkauf zu Bünde im CD-Fach entdeckte. Im Laden insistierte ich mit Vehemenz darauf, dass dieses die rareste Scheibe sei, die man sich überhaupt vorstellen könne und versuchte klarzumachen, dass ich mindestens tot umfallen müsste, wenn ich sie nicht bekäme. Mein Taschengeld war bereits verbraucht und ich hielt diesen Diamant von CD in meinen Fingern. Meine Mutter ließ sich nicht gleich weichkochen und so nahm sie ihren schwer entsetzten Sohn ohne CD wieder zurück nach Spenge. Zu Hause suchte ich dann die Beweismittel aus der Bravo zusammen und tobte so lange um den Küchentisch, bis wir doch gleich wieder zurück in den Marktkauf fuhren und ich meine CD dann triumphierend mit nach Hause nehmen durfte. Ein paar Jahre später habe ich die CD dann auf langes Zureden für 30 Mark verkauft, was mich heute schon wieder ein Stückchen ärgert.

Nachdem das Konzert ein wirklich spaßiges war und für mich mit Nostalgie-Songs vollgepropft, will ich auch unbedingt in der folgenden Woche im FabrikArt vorbeischauen – und das dann auch pünktlich, um noch die tollen Songs hören zu können, die ich gestern verpasst hatte. Extranummer!

Eine Woche später holte ich mir dann tatsächlich den angestrebten Nachschlag. Dieses Mal saß nur noch die Backing-Band, während Janni-Marie und Per-Simee im Stehen Gitarren und Stimmbänder krachen ließen. Das machte schon gleich viel mehr her. Genauso der Sound, der erheblich knackiger klang.

Zum zweiten Set war dann auch das Publikum so richtig warm und die heimlichen Roxette-Liebhaber ließen zum Mitsingen alle Scham fallen, während sich am Schaufenster zur Straße zwei alte Damen die Nasen platt drückten. Zur Belohnung haben Rock That auf die vielen Verspieler von der Vorwoche großzügig verzichtet.


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Aktualisiert ( Mittwoch, 18. November 2009 um 22:53 )