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Herr Zett und die Finanzen

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Ich sitze in meinen von Unordnung durchtriebenen vier Wänden, voller Sorge um meine Zukunft, ohne wesentliche Orientierung darüber, was ich in Kürze beruflich antreten solle, da klingelt das Telephon und ein Herr Zett  von einem Verein mit drei Buchstaben meldet sich und behauptet, mir einen Job anbieten zu können. Worum es ginge? - Datenerfassungstätigkeit, näheres bei einem Gespräch. Ob das wohl was für mich sein könne, frage ich selbst mich skeptisch und lasse mich auf ein Vorstellungsgespräch am nachsten Tage ein.

Da jene Firma, um die es geht, nicht allzuweit entfemt gelegen ist, radele ich mit meinem klapprigen Fahrrad los, noch völlig im Unklaren gelassen über die Branche. Angetroffen am Ort stoße ich auf einen Freund meines Bruders, der eben auch von ihm genannt wurde, als möglicher Interessent. Es sieht doch alles recht nobel aus, wo wir da gelandet sind, und ein paar Lettern an der Mauer dieses großscheibigen Gebäudes verkünden, dass es sich um ein Unternehmen der Vermögensberatung handelt. Im Prinzip ist mir nun eigentlich schon Grund genug gegeben wieder kehrt zu machen. Aber wo ich schon mal da bin, bleibe ich auch gleich hier. Und so folgt ein Druck auf die Klingel und wenig später nehmen wir auf feschen Ledersitzen im Foyer platz, um auf jenen Herrn Zett zu warten.
Der kommt dann auch bald vorbei, um uns nochmal eine handvoll Augenblicke warten zu lassen. Schnieker Anzug, blendende Krawattennadel und Gelstoppeln, die von Haar zusammengehalten werden, schmücken ihn, dazu ein Teint, der nach Verschlafen im Solarium beziehungsweise Werbung für Hautkrebs ausschaut. Ich überlege noch hin und her, ob mir das alles nun zu seriös oder zu unseriös erscheinen soll.

Im Zimmer von Herrn Zett nehmen wir wieder in Ledersesseln platz, nachdem wir eingewilligt haben, ein Two-in-One-Gespräch zuzulassen. Um uns herum Pokale über Pokale, und so denn ich das richtig wahrnehme, haben die alle irgendwie mit Rennsport zu tun. In mir wächst wieder ein latentes Gefühl von Abscheu heran. Nun wird uns das System der Vermögensberatung geschildert. Von dem vielen Geld, was da unterwegs ist, wird mir ganz schwindelig – meine Abscheu sinkt um keinen Millimeter. Ich frage mich, ob Herr Zett sein Gel nicht nur für die Haare, sondern auch zum Versiegeln seiner artifiziellen Bräune benützt. Er gibt uns einen Bogen zur Ausfüllung und kritzelt im Anschluss noch selbsterfragte Ergänzungen zu Fragen, wie der danach, wo wir uns in 5 Jahren sähen – Woher soll ich das wissen, wo ich noch nichteinmal weiß, wo ich mich in zwei Monaten sehe oder worauf wir in unseren Leben bisher am stolzesten seien. Er erzählt uns noch, dass auch er einmal hier gesessen habe – damals noch mit langen Haaren, wie er unterstrich – und sich von unten nach oben durchgearbeitet habe.

Ziemlich am Ende weist er darauf hin, dass wir unser Outfit na-türlich verändern müssten. Nachdem die ganze Materie mich schon mit höchster Widerwart erfüllt hat, gibt mir das nun den Rest.

Am nächsten Tag sollen wir uns erkundigen, ob wir in die engere Auswahl gekommen sind. Beim Abschied noch die Frage, ob wir gerne Porsche fahren. ich drücke mein Desinteresse an Autos aus, da diese für mich reine Nutzungsgegenstände darstellen, die zu funktionieren haben und sonst nicht viel mehr. Und so radle ich klapprig davon.
Einen Tag später rufe ich Herrn Zett an, um mich nach meiner eventuellen Aufnahme in den engeren Kreis zu erkundigen und mein Interesse völlig abzu­sagen. So bekomme ich Bescheid, dass die engere Auswahl mich umfasst und werde gerfragt, ob ich mich darüber freue. Meine Antwort beginnt mit einem 'Naja" und bekundet weiter, dass das nicht meine Welt sei. Dass ich niemals so werden will wie ein Herr Zett – und mögen seine Haare einst noch so lang gewesen sein – sage ich ihm natürlich nicht.

Die engere Auswahl scheint nicht wirklich eng zu sein, denn sämtliche Kandidaten, die mein Bruder vermittelt hat, inclusive ihm selbst, werden ausgewählt und dürfen an einem zweitägigen Seminar in Geschäftskleidung teilnehmen, durch das Zett mit rassistischen Sprüchen von trommelnden Buschnegern leitet, die meinen Bruder gleichenmaßen amüsieren, wie die Tatsache, dass ein türkischer Mitbewerber wahrscheinlich aufgrund dieser am zweiten Tag gleich fernbleibt.


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