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Véronique Olmi – „Meeresrand“ Roman

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SchwachPerfekt 

Ein kleiner Roman zum flotten Weglesen. Aber keineswegs eine fluffige Kost.

Eine Mutter reist mitten unter der Woche mit dem Bus ans Meer, damit ihre Kinder einmal das Meer sehen können. Die Schulpflicht des älteren Knirpses (wie sie ihre Kinder immer wieder nennt), interessiert in der Situation nur ihn selbst. Was sie zu dieser Reise veranlasst wird nicht gleich ganz klar, aber der Klappentext verrät leider schon viel zu viel darüber, dass das Ganze wohl kein gutes Ende nimmt. 

Schnell wird klar, die Mutter hat erhebliche psychische Probleme. Sie leidet unter schweren Depressionen, einer Soziophobie und Panikattacken. Tauschen möchte man mit ihr nicht. Die Sozialarbeiter die sie betreuen, sind ihr eine unangenehme Last. Selbst ihr einziger Lichtblick in ihrer Wahrnehmung, ihre beiden Söhn, sind eine Überforderung für sie. Das Verantwortungsverhältnis hat sich längst umgekehrt, dass eigentlich der ältere Sohn die Rolle des Familienoberhauptes eingenommen hat, das besorgt die Mutter im Blick hat. 

Die ganze Reise ist für die Mutter eine riesige Anstrengung, und auch das Meer stellt sich nicht als das schöne sonnige blaue heraus, das sie ihren Kindern präsentieren wollte, sondern als verregnete dunkle Bedrohung. 

Wie sie ihre Umwelt wahrnimmt ist zwar tragisch und ungesund, zeigt aber auch, dass man mit einer intelligenten und geistreichen Person zu tun hat. Und so springt bei aller Ausweglosigkeit doch auch das eine oder andere Schmunzeln ab. Aber das ist ja das Dilemma, dass Intelligenz zu Reflektionen befähigt, die einen an sich selbst oder der Umwelt verzweifeln lassen können. Am Ende bleibt kein Zweifel, dass alles, was sie tut, aus Liebe zu ihren Kindern geschieht. Nichts tut sie in dem Bewusstsein, ihren Kindern zu schaden. Und bevor man mit dem Buch durch ist, setzt der letzte Satz der ganzen Tragödie noch eine schockierende Krone auf. Und wie es danach weitergeht, bleibt der Spekulation des Lesers überlassen.

Und dem Menschen, der in seiner Amazon-Kritik diagnostiziert, Véronique Olmi bräuche ganz dringend psychiatrische Behandlung, hat irgendwie ein Problem mit dem Auseinanderhalten von Ich-Erzähler und Autor. Aber es gibt ja auch Menschen, die beschimpfen auf der Straße die unglaublich schlechten Laiendarsteller aus Gerichtsshows für ihre Straftaten … Dabei sind die wahren Verbrecher nicht die Darsteller, sondern die Fernsehsender, die diese Produktionen ausstrahlen.

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Im französischem Original
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Aktualisiert ( Samstag, 20. Februar 2010 um 19:09 )  

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