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Knacken

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Knacken an und für sich ist garkein wirklich unangenehmes Geräusch. Man denke nur an Lagerfeuer, wo das Knacken wesentlich an der Heimeligkeit beteiligt ist. Na gut, bei Schallplatten wird so manchem warm ums Herz, wenn es ordentlich knistert; Knacken wünschen sich da aber nur die Hardcore-Fetischisten. Abseits von allen intrinsischen Eigenschaften, die Knackgeräusche mit sich herumtragen, verheißen diese Töne jedeoch oftmals nichts Gutes.

Ich wurde schon einige Male gefragt, was es denn mit den Geräusche auf sich hat, die beim Speisen von der Heimat meines Kauvorganges ausgehen. Es wurde gar vermutet, ich würde beim Essen meine Zähne heftig aufeinanderknallen lassen. Solch ein Unfug, zwischen den Zähne ist's doch durch Nahrung abgefedert beim Essen! Nein, es sind meine Kiefergelenke – und die knacken halt auffällig, renken sich bei jedem Bissen quasi halb aus und wieder ein. Grund genug, mir Horrorgeschichten aufzutischen, von Menschen, bei denen das auch so anfing, die irgendwann eine Kiefersperre hatten oder ein schmerzhaft entzündlich angeschwollenes Mundwerk. Also sollte ich das vor Jahren mal meiner Zahnärztin präsentieren. Natürlich funktionierte der Vorführeffekt wie auf Zuruf, und es knickte und knackte nix in meinem Kiefer. Und was denkt sich ein weiser Mann deshalb einfach: Soll es knacken!

Das Knacken in meinen Kniegelenken gefällt mir da allerdings deutlich weniger. Nach Jahren friedlichen Knackens bei jeder Zuwendung gen Boden erlaubten sich die Knie irgendwann dann doch glatt, ihr Geknacke mit dezent ziehenden Schmerzen zu garnieren. Aber zum Glück bleibt das noch eine Seltenheit, wohl ein kleiner Vorgeschmack auf das marode Alter.

Heute Morgen reichte ein Knacken in der S-Bahn für einen Austausch von Schmunzelblicken. Ich hatte noch meine MP3-Player auf den Ohren, wollte nun die Musik gegen Literatur tauschen, Toxoplasma gegen Hermann Hesse. So nahm ich die Töne vom Gehör, schneuzte meine Nase – denn mit freier Nase liest es sich natürlich besser – und schlug energisch mein Buch auf. Ein lauter Knack hallte durch das Bahnabteil. Mir gegenüber entsprang ein sprießendes Schmunzeln auf den Lippen einer jungen Dame. Ich wollte die Situation nicht unkommentiert lassen, und so fiel mir nach mehreren Sekunden bloß der geistreiche Satz „Das war aber ganz schön laut“ ein. Im Nachhinein hätte ich den Kommentar „Für die Seite brauch ich wohl kein Lesezeichen mehr“ besser gefallen. Aber wem hätte ich schon wirklich imponieren wollen, außer mir selbst? Das Buch war aber tatsächlich mit einer mir bis dahin fremden Vehemenz im Bund auseinandergebrochen. Offenbar wird Bücherleim nach 30 Jahren sehr trocken und hart.

Auch am Wochenende begegnete mir ein Knacken. Ich ging an der Kühlschrank, zog die Tür an mich … Ja genau da liegt auch der Hund schon begraben: Ich zog; der Griff kam mit; aber die Tür blieb verschlossen. Dieser Vorgang wurde von einem deutlichen Knacken begleitet. Ich hielt nun also eine ca. 30 cm lange, rote Plastikstange in der Hand und stand verdattert vor dem Kühlschrank. Jetzt darf ich wohl demnächst in die Autowerkstatt laufen und mir einen neuen Griff für den Kühlschrank bestellen, sofern es den separat zu kaufen gibt. Allerdings lässt sich der Kühlschrank auch wunderbar ohne Griff öffnen. Jetzt, wo er fehlt, muss ich sagen, der Griff hatte vor allem optisch einen hohen Wert. Oller maroder Kühlschrank, so werde ich bestimmt im Alter auch mal, wenn mir Knie und Kiefer entzwei fallen.

Aber vom Kühlschrank weiß ich ja nun, wenn man im Alter kaputt geht, wird man nicht nutzlos, sondern nur ein bisschen unansehnlicher. 


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Aktualisiert ( Donnerstag, 11. März 2010 um 22:00 )  

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