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Vyacheslav Butusov i Muzykanty Gruppy "Kino" – „Svezdnyi Padl“ CD

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Endlich habe ich einen Versand gefunden, bei dem man gut und bequem russische Musik ordern kann. Mein Vorhaben ist, mir die Alben von Kino so zusammenzusammeln, dass der Kino-Schriftzug entsteht, wenn ich die CDs in passender Reihenfolge zusammestelle und auf die aufgereihten Rücken schaue. Leider ist mir mittlerweile klar, dass es diese CDs in drei unterschiedlichen Auflagen gibt, auf denen dieser Rückenschriftzug in der Höhe seiner Anbringung jeweils um ein paar Milimeter variiert. Das Hauptproblem ist dabei ein sich um die ganze CD-Hülle schlängelnder Hinweis, dass diese CD nicht für den Verkauf in Moskau bestimmt sei, der den Kino-Schriftzug ein kleines Stückchen nach oben verweist. Warum das Label Moroz Records, das in Moskau ansässig ist, CDs herstellt, die überall verkauft werden dürfen, außer in Moskau, ist mir grad noch etwas schleierhaft. Ganz klar hingegen ist, dass dieser Hinweis der Optik des Coverartworks nicht zuträglich ist. Ich als Käufer habe auch zu keinem Zeitpunkt mit dem Gedanken gespielt, die erstandene CD nach Moskau zu tragen, um sie dort weiterzuverkaufen. Folglich weiß ich auch nicht, warum ich mit diesem neonorangenem Streifen gestraft werde.

Die CD, die ich hier aber eigentlich grad besprechen will, weist sehr dezent darauf hin, dass ich sie nicht in Moskau verkaufen soll. Ich bin für die Dezenz dankbar. Dieses Album ist aber auch nicht von Moroz Records, sondern von Nikitin. Zur Vervollständigung meiner Kino-CD-Rücken-Reihe trägt sie aber auch nicht bei. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, warum sollte sie auch? 

Die Interpretenangabe ließt sich recht umfangreich. Das ist so als hätten Queen + Paul Rodgers nicht Queen + Paul Rodgers geheißen, sondern Paul Rodgers + Musicians from the Band Queen. Denn genausowenig, wie Brian May und Roger Taylor zu zweit Queen sein können, können Yuriy Kasparyan und Igor Tikhomirov zu zweit Kino sein. Das eine geht nicht ohne Freddie Mercury und das andere nicht ohne Viktor Tsoy. 

Für den einen oder anderen bedeutet meine Schwärmerei für Kino vielleicht tatsächlich Eulen nach Athen tragen. Aber alle anderen stehen grad völlig auf dem Schlauch und wissen nicht, wovon ich hier grad rede und mit was für Namen ich hier gerade um mich werfe. Also kurz zur Info: Kino war eine von Anfang der 80er bis 1990 aktive russische Rockband, die man am ehesten mit Post-Punk-Bands wie etwa Joy Division vergleichen könnte. Sie hatten mit Viktor Tsoy einen sehr charismatischen Frontmann und dann auch noch zu Perestroika-Zeiten einen großen Hit, dessen Titel sich mit „Ich will Veränderung“ übersetzen lässt. Der Status den Viktor Tsoy heute noch in den Ländern der ehemaligen UdSSR besitzt, lässt sich etwa mit „größter russischer Rockstar aller Zeiten“ umschreiben. Aber Status hin, Status her, es war musikalisch einfach ganz groß. Und bei Gelegenheit werde ich mich auch mal weiter mit den Texten befassen, für dessen Poesie auch noch immer sehr verehrt wird. Leider ist der 27-jährige Tsoy 1990 tödlich verunglückt. 

Soviel erstmal zu Kino. Auf dieser CD zu hören sind also der Lead-Gitarrist und der Bassist von Kino gemeinsam mit dem Sänger Vyacheslav Butusov. Sein Name sagte mir so erstmal nichts, da es mir schwer fällt, Namen, die sich lesen, wie dieser, auseinanderzuhalten. Aber als ehemaliger Sänger von Nautilus Pompilius war er mir dann doch nicht völlig fremd. Nautilius Pompilius gab es von 1982 bis 1997, auch sie zählen zu den Kultbands der Perestroika. Ihre Musik war Anfangs schräger New-Wave-Rock, später glatter, aber auch hymnischer. Sehr schön ist das getragene Titelstück von ihrem Album „Krylya“ („Flügel“).

Das gemeinsame Album „Zvezdnyi Padl“ („Sternenruder“ – Ja, Padl heißt Paddel) klingt eher nach Nautilius Pompilius als nach Kino, hat dabei aber doch mehr Biss als einige Nau-Platten.

Mit „Antarktika“ geht es gemütlich los, die Gitarre fläzt sich durch künstliche Metallofon-Sounds. Das Stück klingt wärmer, als der Titel vermuten ließe. Die nächste Stück „Na Lianakh“ zieht das Tempo ein bisschen an, bleibt aber noch immer sehr gemütlich. „V podvodnykh lesakh“ (In den Unterwasserweltwäldern“) lässt in den Parts zwischen dem getragenem Gesang Kasparyans Gitarre dann schon kantiger klingen. In „Brungilda“ (Das übersetze ich nicht, sondern weise einfach darauf hin, dass es im Russischen kein H gibt, weshalb man da auf das G ausweicht.) wird knochtrocken gerockt, um daraufhin die Hansestadt „Gamburg“ in Hans-Alberts-meets-Element-of-Crime-Folklore zu besingen. Da bei „Gamburg“ gänzlich andere Musiker gelistet sind, würde ich behaupten, die Kino-Fraktion hat da gerade Urlaub.

Bei dem folgenden Stück „Kukly madam Mandelip“ („Puppendame Mandelip“) kommen endlich auch mal ein paar schrägere Töne. Es kratzt und quietscht und schnuppert in Richtung Hardrock. Um schonmal darauf vorzubereiten, dass … ja dass bei dem nächsten Song „Zhenshchina v metro“ („Frau in der U-Bahn“) das Schlagzeug mit dem Besen gestreichelt wird, ein jazziges Vibraphon erklingt und darunter der Bass sanft durch das Stück leitet. 

„Mama nauchi …“ („Mama lehre …“) ist munterer Mitwipp-Rock-Pop. „Mauna Loa“ klingt wie ein Urlaub in der Südsee. Arthur Conan Doyles „Sobaka Baskerviley“ kommt als Blues mit gedämpfter Trompete. „Utoplennik“ („Ertrunken“) ist auch guter Pop-Rock mit schmeichelnder Melodie. Und mit der „Koni Yoto“, was als Funkpop beginnt und sich zunehmend zum Funkjazz transformiert ist dieses Album dann abgeschlossen.

Ein abwechslungsreiches und doch rundes Album. Wer von dem Album Post-Punk à la Kino erwartet, wird enttäuscht. Wer eine gelungene Fortsetzung von Nautilus Pompilius sucht, wird sich wohl die Finger schlecken. Diese Scheibe ist übrigens schon von 2001. 2001 haben Kasparyan und Butusov auch gemeinsam die Band Yu-Piter gegründet. Leider kenne ich weder Yu-Piter noch Butusovs Solo-Alben.

(Nikitin)

PeterShop


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Aktualisiert ( Mittwoch, 23. Juni 2010 um 00:59 )  

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