Ueberfall

 
  • Schrift vergrößern
  • Standard Schriftgröße
  • Schriftgröße verkleinern
Home Fanzine
Fanzine

Hasan Ali Toptas – „Die Schattenlosen“ Roman

E-Mail Drucken PDF

Erst hatte ich den Film gesehen, war gleichsam beeindruckt und verwirrt. Ich liebe ja Filme, die ich nicht (gleich) verstehe. Die können dann noch schön in mir weiterarbeiten, sind noch nicht zuende, wenn der Fernseher schon aus ist. Als ich dann gelesen hatte, dass es sich bei „Gölgesizler“ (Die Schattenlosen) um eine Literaturverfilmung handelte und Autor Toptas (dessen Namen ich gerne richtig schreiben würde, aber das scheint grad technisch nicht möglich … gesprochen: Toptasch) als einer der interessantesten aktuellen Autoren der Türkei gehandelt wird, habe ich mir doch gleich den Roman ins Haus geordert.

Da der Film den Film selbstverständlich nur eingeschränkt umsetzen konnte, brachte mir das Buch dann doch etwas Licht ins Dunkel. Hauptfigur ist im Prinzip der Autor selbst, der beim Friseur sitzt und die dortigen Erlebnisse als Inspiration in seine Fiktion einfließen läßt. Irgendwann dreht sich das und Elemente und Figuren aus seiner Geschichte tauchen wieder in der Realtität auf. Aber natürlich ist die Realität auch nur Fiktion und überhaupt überschneidet sich das eh alles. Das alles kann man als philosophische Betrachtung vom Verhältnis zwischen Realität, Wahrnehmung und Vorstellung sehen. 

Die Kerngeschichte dreht sich um einen Bürgermeister, sein Dorf und das mysteriöse Verschwinden dessen Einwohner. Menschen verschwinden, Menschen vervielfachen sich, und der namenlose Bürgermeister verzweifelt. Cenets Sohn, der selber auch ohne Namen bleibt, wird wegen seiner Sonderlichkeit zum Sündenbock gemacht und verfällt in Folge dem Wahnsinn. Toptas wies in Interviews darauf hin, dass der Name Cenet Paradies bedeutet. 

Immer wieder treffen die traditionelle und die moderne Türkei aufeinander, z. B. als der Bürgermeister sich um Hilfe suchend in die Kreisstadt aufmacht und dort verhöhnt wird. 

Vor allem die Bildsprache Toptas' hat mich  absolut eingenommen. Und für seine sybolträchtige Erzählweise ist der Vergleich mit Kafka oder auch Nabokov absolut angebracht. Gehört definitiv zum besten, was ich an aktueller Literatur so gelesen habe.

Paperback bei Amazon bestellen

Wer Türkisch kann, klickt besser hier Add a comment
Aktualisiert ( Samstag, 20. Februar 2010 um 18:08 )
 

Thomas Wiedling - "Die Treppe" Roman

E-Mail Drucken PDF

Ich habe diesen Roman wunderbar locker ohne Stocken durchgelesen. Fand auch einige Ideen sehr gut: die drei Perspektiven, die psychischen Folgen der Heimlichkeiten der Mutter für die Kinder, die Treppe als zentraler Angelpunkt mit Symbolwirkung für alle Beteiligten ... Doch am Ende war ich dann doch enttäuscht von der Auflösung. Kaum startete der dritte Teil des Buches mit der Perspektive der Mutter, verpuffte mir die Spannung und wich einem enttäuschtem "Ach, in die Richtung geht das also". Ich war von dem Buch nicht satt geworden, hatte das Gefühl, nur ein Workshopergebnis oberen Mittelmaßes gelesen zu haben. Die guten Ideen sind zu einem Roman aufgepustet worden, der mich Tiefe und Politur vermissen ließ.

(btb-Verlag)

Add a comment
 

Die zwei Damen vom Grill

E-Mail Drucken PDF
Benutzerbewertung: / 1
SchwachPerfekt 

Schön, schön. Da kam es mir in den Sinn, dass ich gerne mal wieder ein Flohmarkt besuchen würde, und so schaute im Netz nach, ob sich ein solcher zu meiner Freizeitaufschmückung bereit stelle. Trotz flohmarkthinderlicher Kälte fand ich tatsächlich einen.

Man kann nicht sagen, er wäre überrannt gewesen oder mit einem übermäßig üppigen und vielfältigen Warenangebot übersäht. Ein paar nette Sachen fand ich trotzdem, unter anderem die ersten beiden Adamski-Alben. Das zweite hatte ich mir damals zugelegt, als es aktuell war und ein paar Jahre später verkauft, weil ich's völlig unnütz fand. Jetzt kann ich mich gleich hinsetzen und gucken, wie meine heutige Einschätzung dazu aussieht und in Nostalgie baden. Vielleicht sollte ich ein paar Platten aus meiner Sammlung einfach mal so 15 Jahre vor mir selbst verstecken - und erst dann wiederfinden. Aber es gibt auch so schon genug Scheiben, die einer Wiederentdeckung harren. Dass man aber auch bei den ganzen Musikkompressionsverfahren noch nicht so weit ist, dass es einem ermöglicht wird, Musik in ihrer vollen Länge und Intensität sowie Originalgeschwindigkeit in kürzerer Zeit zu hören ... Mein DVD-Laufwerk kann das - meine Ohren nicht.

Das erfreulichste an dem Flohmarkt waren dann aber noch zum Abschluss die "zwei Damen vom Grill", denen ich eine Portion Pommes abverlangte. Auf der Hinfahrt zum Flohmarkt überkam mich in der Bahn noch ein Vereinsamungsgefühl, dass darauf wartete, dass ich mir eine ruhige Minute gönnte. Kein Buch unter der Nase, kein Bildschirm vor den Augen, keine Musik auf den Ohren und plötzlich fühlte ich mich ganz allein. Mit den beiden Frauen geriet ich in eine nette, rege Plauderei - so nett, dass ich das hier einmal erwähnen wollte. Und weil ich ihnen die Adresse dieser Website aufgeschrieben habe, grüße ich sie an dieser Stelle doch gleich einmal.

Add a comment
Aktualisiert ( Mittwoch, 17. Februar 2010 um 09:33 )
 

The Nymphomaniacs, Human Hair People - 4. Februar 2010, Kanal-21-Studio, Bielefeld

E-Mail Drucken PDF
Benutzerbewertung: / 12
SchwachPerfekt 

Nachdem letzte Woche mein Arbeitsweg von Tag zu Tag mehr Zeit für sich in Anspruch nahm, taut dieses gigantische Scheekontingent  mit seinen meterhohen Bürgersteigsummauerungen endlich mal so langsam weg und legt allerortens frisch glänzende, unappetitliche Hundescheißhaufen frei. Beste Voraussetzung für ein entspanntes Wochenende, an dem ich wieder ein paar Reviews schreiben kann und diesen Konzertbericht.

Vorgestern im Kanal-21-Studio in der Meisenstraße in Bielefeld spielten The Nymphomaniacs und Human Hair People vor vier Videokameras und Publikum. An dem Tag war wegen Bahnstreik mein Arbeitsweg auf ganze anderthalb Stunden angeschwollen. So hatte ich auch keine Zeit mehr zwischen Arbeit und Konzert zu Hause vorbeizuschauen. 

Human Hair People habe ich zum dritten Mal gesehen. Beim zweiten Mal waren sie nicht ganz so wuchtig, wie beim ersten Mal. Nun beim für mich dritten Konzert, war wieder der volle Wumms dabei. Beim ersten Konzert hießen sie noch anders und mir ist der erste Name, obwohl so schnell verworfen, noch immer präsenter als der aktuelle. Damit euch das nicht auch so geht, erwähne ich den alten Namen hier nicht erst und sage: Prägt euch den Namen Human Hair People ein, diese Band ist fantastisch.

Human Hair People spielen voll und ganz aus, dass Morten und Jones zusammen eine mächtige Rhythmusgruppe sind. Morten kloppt Stakkatos dahin, dass einem vor Wucht bald schwindelig wird, Jones setzt Bassläufe drüber, die dem Spiel von Jean-Jaques Burnel (The Stranglers) ebenbürtig sind. Und Gitarrist Robert unterstreicht das mit schrägem und ebenso rhythmusbetontem Spiel. Und genauso kräftig und fest setzt sich Cashpas Gesang dort hinein und hindurch. Da das Konzert dann demnächst auf dem NRW-Lernsender ausgestrahlt und auf www.kanal21.de online vorgestellt wird, könnt ihr euch aber endlich zu Hause einen Eindruck von der Band machen. Bevor es soweit ist, kramt die Originalversionen der Songs, die die Human Hair People covern, aus dem Plattenregal: Zounds "Did He Jump" (der Text ist übrigens von Slime zu "Etikette tötet" übersetzt worden) und The Stranglers "Nice'n'Sleazy". Dazu nehmt ihr noch das Buzzcocks-Stück "Moving Away from the Pulsebeat", rührt alles zusammen, kräftig schütteln und so ungefähr klingen Human Hair People.

Dagegen klingen The Nymphomaniacs dann richtig konservativ - aber trotzdem nicht weniger geil. Es gab auch ein paar neue Songs im Programm: "50 Minutes" mit AC/DC-würdigen Riffs, der Yardbirds-Klassiker "Heartful of Soul" und "Don't Wanna Be Like Them". Letzteres erinnerte mich an irgendetwas, aber ich konnte es nicht genau zuordnen. Drummer Bernd meinte hinterher, es erinnerte ihn selbst an frühe Damned-Sachen. Ich musste mir erstmal wieder meinen Damned-Input auffrischen, um dem jetzt auch zustimmen zu können. Genau die hatten in sehr ähnlicher Verpackung ähnliche Singalong-Chöre.

Sehr schönes Konzert. Da freue ich mich schon auf die Videofassung fürs Wohnzimmer. Und wie das klang, als die Rhythmusgruppe von Human Hair People mit den beiden Gitarristen der Nymphomaniacs zusammenspielte, könnt ihr bei Mind Overboard nachhören.

Add a comment
Aktualisiert ( Montag, 08. Februar 2010 um 18:03 )
 

Dollface - "Silent Rebillion" CD

E-Mail Drucken PDF

Manchmal lasse ich mir potentielle Plattentitel oder Songtitel durch den Kopf gleiten. Oft finde ich die richtig gut, oft entfallen sie mir wieder und überhaupt habe ich für mein bisschen Musik gar keine Verwertung für so viele Titel. Vor ein paar Tagen kam mir die Idee mein nächstes Album "Mars Attacks" zu nennen. Würde eigentlich nur Sinn machen, wenn ich auf der Scheibe Leuten ordentlich ans Bein pisse. Ob ich da momentan noch Bock drauf hab, weiß ich noch nicht so sicher.

Und jetzt zum super Übergang: Ich hab grad nochmal einen Blick auf das Presseinfo von Dollface geworfen. Deren erstes Album hieß "Mars Attacks". Aber darum soll es jetzt garnicht gehen, schließlich kenne ich jene Platte nicht und aktuell steht das neue Album "Silent Rebillion" auf der Speisekarte. 

Dieser ganze aktuelle Indie-Rock-Krempel ödet mich ja im Allgemeinen fürchterlich an. Mando Diao haben zwar ein paar griffige Songs im Repertoire, aber ansonsten auch nur ziemlich glatt runde Räder untendran. Arctic Monkeys sind wie der berümte chinesische Sack Reis, nur so präsent, als fiele mir dieser Sack direkt auf die Füße. Und chinesische Reissäcke vor und auf den Füßen halten nur von wirklich guten Dingen ab. 

Jetzt fallen im Presseinfo zu Dollface doch unter anderem ausgerechnet diese zwei Bands als Vergleichsreferenzen. Hmmm ... Ganz falsch ist das auch überhaupt nicht. Und genau deshalb wollte ich Dollface trotz allem Geklopfe erstmal garnicht richtig hereinlassen. Doch auf einigen Stücken geben sie der Sache auch einen sehr eigenen Twist, wie auf "Only Way", wo der federnde Basslauf schon an eine Polka-Tuba erinnert. Dabei ist "Only Way" nur einer der Faktoren, die zu einer löblichen Hitdichte führen. Und je öfter ich dieses Album höre, desto mehr reißt es mich entgegen allem anfänglichen Hadern dann doch noch richtig mit. Ich find es jetzt richtig klasse!

"Silent Rebellion" ist frischer Rock irgendwo zwischen Small Faces, Queens of the Stone Age und den Dead Boys, der locker um die Ecke spuckt und mit seinen Hits in jede Indie-Disco gehört. Wer klein anfangen will, kann erstmal mit der Single "Me and the Bomb" anfangen. Ist aber eigentlich auch Quatsch, da alle vier Songs auch auf dem Album sind. 

Das Cover sieht aber trotzdem langweilig aus, wird auch bei mehrmaligem Ansehen nicht schöner.

(65 Productions)

Dollface

Add a comment
Aktualisiert ( Dienstag, 16. Februar 2010 um 09:58 )
 


Seite 24 von 83